Wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!

  • Was sind eigentlich Märchen?

    Langlebig leidenschaftlich-listige literarische Legenden?

    Gut gealterte genial-gerissene Geschwätz-Geschichten?

    Energetisch eigensinnige episch-epochal erhabene Erzählungen?


    Und was macht Märchen dann aus?

    Bemitleidenswerte beachtlich-begabte bissige Bösewichte?

    Populäre penibel-perfekte prächtige Prinzen?

    Oder doch...

    Vage Visagen von versagten Verständen verführt zu einer verstörten Vendetta?


    Doch dann versuchen wir es doch... ein Märchen.

    Es war ein mal... in einem nicht ganz so zauberhaften Land.


    Ein kleines Männchen hüpft freudig um ein großes Feuer herum.

    In den Schatten spiegelt sich das grün-schwarze Gewand des Wichtes wieder.

    Es singt und Tanzt mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.


    "Ach, wie schön ist die Nacht, ach, wie schön ist der Morgen.

    Ach, wie toll ist die Sonne, ach, wie toll ist der Mond.

    Ach, wie toll ist mein Gesicht, ach, wie toll ist mein Hut.

    Ach, wie toll ist meine Stimme, ach, wie toll ist meine Magie!"


    So wurde das Männchen müde und kehrte noch im Dunkel der Nacht in seine Höhle ein, aus dem Sichtfeld verschwunden.


    Kaum eingeschlafen hörte das Männchen Schritte vom Einlass der Höhle stammend;

    So bewegte er sich eher schlecht als Recht zu dem Ursprung der Töne.

    "Wer wagt es mich bei meinem wohl verdienten Schlaf zu stören?" Sprach das Männchen mit übermüdeter Stimme.

    Eine piepsige Stimme antwortete, es war ein kleiner Junge: "Oh, guter Herr. Ich habe weit geschaut, ich habe breit geschaut, doch keiner der großen Weißen und keiner der guten Händler konnte mir helfen. Doch ich hörte von Ihnen, guter Herr. Sie seien so Gütig und Erfahren".

    Geschmeichelt von den Worten schickte das Männchen den Jungen nicht sofort hinfort.

    "Ach. Ich sehe. Ich höre. Ich spüre. Ich kenne alles, dass zwischen Gut und Böse liegt. Ich sehe alles, was zwischen Berg und Tal geschieht. Und ich höre alles, was zwischen Himmel und Erde vor sich geht".

    Der Junge, mit Glanz in seinen Augen erzählte euphorisch weiter: "O' guter Herr. Meine Mama, sie ist sterbenskrank. Keine Speiß, kein Trank, kein Kräuter und kein Wunder hilft ihr mehr."

    Das Männchen kratzte sich kurz am Bart und überlegte. "Verstehe, verstehe. So Bube, bringe mich zu deiner Mutter."


    Das Männchen trat mit dem Jungen in das Haus hinein. Der Wicht begutachtete die Mutter.

    "Hm. Ich verstehe, ich sehe. Ich kann helfen ja... Doch ich brauche etwas dafür!"

    Der Junge blickte erschrocken auf den Wicht doch stimmte zu.

    "Ich kann Ihnen diese Uhr geben. Sie gehörte meinem Vater."

    Das Männchen packte Geschwind die Taschenuhr ein und gab der Mutter etwas zu trinken.

    "So, ich bin dann weg. Kümmere dich gut um sie!"


    Und diese Nacht tanzte das Männchen erneut.

    "Ach, wie schön ist das Gras, wie schön ist der Baum.

    Ach, wie schön sind die Wellen, wie schön ist das Meer.

    Ach, wie schön sind die Sterne, wie schön ist der Himmel.

    Ach, wie schön ist mein Mantel, wie schön ist meine neue Uhr."


    Erneut, kaum schlief der Wicht ein, kam erneut ein Geräusch aus der Höhle.

    "Mister. Bitte, meine Mutter ist noch immer schwer krank".

    Das Männchen, leicht genervt, sprang aus seinem Bettchen und kraulte sein Bärtchen: "Ah, guter Junge. *Gähn* Wie kann ich dir heute helfen?"

    Der Junge nahm den Wicht an die Hand und zerrte ihn mit. "Meine Mutter, meine Mutter".

    Kaum beim Haus wieder angekommen schaute das Männchen die Mutter an. Die Mutter hatte kein Fieber mehr, doch noch immer aufgequollene Warzen auf dem Rücken.

    Der Wicht schmierte ihr eine Paste auf den Rücken und fragte den Jungen erneut "Und, Bube, was bietest du mir dieses mal?"

    Der Junge stotterte und überreichte dem Männchen eine Kette. "Diese Kette gehörte meiner Oma. Meine Mutter mag sie sehr. Aber jetzt ist es nicht wichtig".

    Das Männchen nahm die Kette an und hüpfte zurück zu seiner Höhle.


    Und auch diese Nacht tanzte das Männchen erneut.

    "Ach, wie herrlich ist der Boden, wie herrlich ist der Wald.

    Ach, wie herrlich sind die Wolken, wie herrlich ist der Strand.

    Ach, wie herrlich sind die Tiere, wie herrlich ist das Zwitschern.

    Ach, wie herrlich ist meine Uhr, wie herrlich ist meine neue Kette."


    Und auch diesen frühen Morgen kam der Junge erneut.

    "Herr, meiner Mutter geht es besser. Doch sie hat noch immer Schmerzen.

    Das Männchen redete gar nicht viel. Es lief schlicht zum Haus, pustete der Mutter ein wenig Staub ins Gesicht und fragte den Jungen noch ein mal:

    "Gesünder werde ich deine Mutter nicht mehr machen können. Nun, Bube, was kannst du mir dieses letzte Mal bieten?"

    Der Knabe war beschämt: "Ich habe nichts mehr zu geben, guter Herr. Suchen Sie sich etwas in diesem Haus aus, es solle Ihnen gehören."

    Der Wicht nickte, doch nahm noch nichts mit. "Sei vorsichtig, was du dir wünscht, junger Knabe. Deine Worte haben Macht." antwortete das Männchen.

    Es kehrte zurück zu seiner Höhle.


    Doch diese Nacht tanzte das Männchen ein letztes mal:

    "Ach, wie schrecklich ist das Leben, wie schrecklich ist der Tod.

    Ach, wie schrecklich ist der Mensch, wie schrecklich ist die Pest.

    Ach, wie schrecklich ist meine Uhr, wie schrecklich ist meine Kette

    Ach, wie schrecklich ist mein neues Weib, wie schrecklich ist Rumpelstilzchen."


    Ein neuer Tag begann und er Knabe blickte in ein leeres Haus. Die Mutter war fort.

    Besorgt rannte der Knabe erneut zu der guten Höhle und blickte hinein.

    Die Höhle war tief, die Höhle war finster.

    So blickte der Bube nach links und sah Blut. Der Bube blickte nach rechts und sah Blut.

    Der Bube hörte das Tropfen. Der Bube roch das Eisen.

    Eine üble Vorahnung übermannte das, doch es lief tiefer in die Gedärme des Berges.

    So kam er irgendwann, ganz ohne Zeitgefühl, an einer Hütte an, im Herz der Erde, in der tiefsten Herzenskammer.

    Krummes Holz, eiserne Dachziegel, Boden geprägt durch Asche, rostige Nägel und grüne Fenster skizzierten die pervertierte Form eines Hauses.

    Der Knabe schlich sich durch ein Loch in der Struktur der Hütte hinein. Da sah er ein Raum voller Gold, Rubine, Silber, Platin, Kupfer, Bronze, Topaz, Smaragde und Schätze aus aller Herren Länder.


    Doch vernahm der Bube ein Schrei. Zusammengezuckt öffnete der Bube die Tür zu dem nächsten Raum. Und da erblickte er ein bizarres Bild.

    Der Wicht, mit einem unmöglich weit geöffneten Mund, verspeiste seine Mutter im Ganzen. Teufelsschlund tausend Zähne, Klang des Fegefeuers ohne Seele, Hydra Kopf aus alter Zeit, Hölleneis der tiefsten Winter. Schrei der ersten Harpyie.

    Die Mutter schlug und schrie. Sie krallte sich am Fußboden fest. Ihre Finger bluteten. Doch es war irrelevant. Sie war nun sein. Und er ließ nicht mehr los. Der Knabe blickte verstört. Ohne Ton. Ohne Laut. Waren es 30 Sekunden oder 20 Stunden? Es machte keinen Unterschied.


    So beendete der Wicht sein Festmahl und blickte auf den jungen Knaben:

    "Ah, Bube. Hast du Hunger? Ich habe noch etwas übrig. Oder benötigst du erneut meine Dienste? Es ist mir stets ein Vergnügen Geschäfte mit dir zu machen."


    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leiden sie noch heute.

  • Karter

    Hat das Label Story hinzugefügt.
  • Karter

    Hat das Label Global hinzugefügt.
  • Ich push das mal damit noch mehr Leute in den Genuss dieser Story kommen, es lohnt meine Damen und Herren.

    Es grüßt

    ~ -John-


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